Ankerbrotfabrik

10., Absberggasse 13

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Die Ankerbrot AG wurde 1891 durch die Brüder Heinrich und Fritz Mendl in Wien Favoriten gegründet. Als Markenzeichen wählten die Besitzer den Anker als Symbol für Sicherheit und Vertrauen.

Das Unternehmen wuchs von anfangs 20 Mitarbeitern (Produktionsleistung: täglich 2.000 Rundbrote à 2 kg) schnell heran und entwickelte sich in kurzer Zeit zum größten Bäckereibetrieb Österreichs. Aufgrund der hervorragenden Qualität erhielt es das Privileg, den Titel k.u.k. Hoflieferant zu führen.

Die Ankerbrotfabrik war auch Schauplatz zahlreicher Arbeitskämpfe. Im Spätherbst 1894 wehrten sich die Bäckereiarbeiter gegen die Aussperrung einiger Kollegen, die auf die unmenschlichen Zustände in der Brotfabrik hingewiesen hatten.

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Der Arbeitskampf wurde von der Arbeiter-Zeitung, der Gewerkschaftskommission und der SDAP unterstützt; der durch den Boykottaufruf bedingte empfindliche Umsatzrückgang bewegte Ankerbrot schließlich zum Einlenken. Die Achtstundenschicht wurde hier zuerst eingeführt und die Gehilfenorganisation de facto als Tarifpartner anerkannt.

Dennoch kam es auch in den folgenden Jahren immer wieder zu Arbeitsniederlegungen – und beim großen Bäckerstreik im Frühjahr 1907, der beinahe vier Wochen lang dauerte, gehörten die Gebrüder Mendl zu den Scharfmachern auf Unternehmerseite, die damit drohten, die Streikbewegung mit arbeitslosen Bäckern als Streikbrechern zu unterlaufen.

1914 beschäftigte das erfolgreiche Unternehmen bereits fast 1.300 Mitarbeiter. Diese bildeten 1918 eine "Arbeiterwehr" zum Schutz ihres Betriebes, die mit etwa tausend Mann zu den stärksten dieser Art in Wien zählte.

Zu Beginn der 1930er Jahre erteilten die Ankerbrotwerke einen Auftrag an die von Paul F. Lazarsfeld initiierte und geleitete Österreichische Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle – eine marktanalytische Untersuchungen zur Steigerung des Konsums. Die ÖWF-Mitarbeiterin Lotte Schenk-Danziger erinnerte sich später: Aufgrund unserer Publikumsbefragungen – da war ich auch dabei – ist dann dieses große Plakat gekommen: ‚Worauf freut sich der Wiener, wenn er vom Urlaub kommt? Auf Hochquellwasser und Ankerbrot.‘

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Im Februar 1934 folgten die Arbeiter dem Streikaufruf, warteten allerdings vergeblich auf weitere Weisungen. Am 13. Februar kam es zu einem kurzen Kampf, bei dem der Schutzbündler Alexander Scheck erschossen wurde.
Nach der Niederschlagung des Arbeiteraufstandes wurden zahlreiche Ankerbrot-Arbeiter verhaftet, einer von ihnen, Franz Misek, wurde zu drei Monaten Zuchthaus verurteilt. 1938 wurde der Betrieb von den Nationalsozialisten "arisiert". Anfang 1939 kam es zu einem Streik der Ankerbrot-Belegschaft gegen die Angleichung der Lohnsteuer an die wesentlich höheren deutschen Steuern – der erste und letzte Streik eines großen Betriebes während der Nazizeit.
 
Die Gestapo unterband diese Streikbewegung und war auch in den folgenden Jahren häufiger "Gast" in der Ankerbrotfabrik, in der mehrere Widerstandsgruppen tätig waren. Dabei wurden mehrere Betriebsangehörige verhaftet, drei von ihnen hingerichtet (Käthe Odwody, 23.9.1943; Franz Misek, 19.9.1944; Ludwig Führer, 5.12.1944). An sie erinnert eine Gedenktafel.
 
Nach 1945 erfolgte die Rückgabe des Unternehmens an die früheren Eigentümer; 1969 ging die Brotfabrik an den Schoeller-Konzern über, der 1970 die Fusionierung der Ankerbrot AG mit den Hammerbrotwerken in Wien Floridsdorf durchführte.
 
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1981 erwarben Helmut A. Schuster und sein Bruder Gerhard Schuster die Firma, die einen neuen Aufschwung erlebte. 1996 wurde das ehemalige Konsum-Unternehmen Ährenstolz GmbH übernommen. 1997 wurden 74 Prozent der Ankerbrot AG an die deutsche Müllerbrot GmbH verkauft, die Familie Schuster behielt 23 Prozent, der Rest der Aktien befand sich in Streubesitz. Die Ankerbrot AG beschäftigte zu diesem Zeitpunkt 2.630 Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von 2,2 Milliarden Schilling. 2003 übernahm der deutsche Millionär Klaus Ostendorf den inzwischen schwer angeschlagenen Backriesen, der über einen Ausgleich entschuldet werden sollte. 2014/15 wechselte Ankerbrot erneut den Besitzer: Über 80 Prozent der Aktien gehören über Austro Holding und Grosso Holding dem Investor Erhard Grossnigg, 18,75 Prozent hält die Firma Ölz.
 
Die historischen Fabriksräumlichkeiten sind mittlerweile ein kultureller Anziehungspunkt weit über die Bezirksgrenzen hinaus: 2009 kaufte die Loft City GmbH & Co KG stillgelegte Teile der Fabriksgebäude, heute beherbergt die Brotfabrik Wien u.a. die Fotogalerie OstLicht. Darüber hinaus gibt es einen Veranstaltungssaal und mit der ehemaligen Expedithalle auch eine Räumlichkeit für Flohmärkte oder Theateraufführungen.
 
Literatur: Reinhard Müller, Lotte Schenk-Danzinger im Gespräch mit Christian Fleck, 1988.