Amalienbad

10., Reumannplatz 23

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Die Badeanstalt in Favoriten wurde in den Jahren 1923 bis 1926 nach Plänen der Architekten Karl Schmalhofer und Otto Nadel erbaut und nach der 1924 verstorbenen Politikerin Amalie Pölzer, der Frau des legendären Johann Pölzer benannt, die seit 1919 als erste Favoritnerin dem Wiener Gemeinderat angehört hatte.

TF_Poelzer_Amalie_BO10Eröffnet wurde das Amalienbad im Rahmen des Arbeiter-Turn- und Sportfestes am 8. Juli 1926. Die Begrüßungsreden mussten vom Fünfmeter-Sprungbrett gehalten werden, ein Umstand der für Heiterkeit sorgte. Stadtrat Julius Tandler etwa musste gestehen, daß er als Vertreter der Gemeinde Wien noch niemals auf so schwankender Grundlage gestanden sei, versprach aber, trotz der feuchten Umgebung in seiner Rede nicht zu "schwimmen".

Das Amalienbad war zur Zeit seiner Errichtung europaweit richtungsweisend und sollte der Arbeiterschaft die Möglichkeit zur regelmäßigen Körperpflege und sportlichen Betätigung geben – das Schwimmen als Gegenangebot zu Wirtshausbesuch und Alkoholkonsum.

 
R_Amalienbad_historisch_MA44Die Schwimmhalle besaß Tribünen und ein bewegliches Glasdach, das sich innerhalb von nur drei Minuten öffnen ließ, um auch im Sommer einen vollkommenen Badegenuss zu ermöglichen. Von konservativen Kreisen wurde das Amalienbad geradezu als Symbol der angefeindeten Kommunalpolitik der Sozialdemokraten kritisiert.
 
So schrieb die "Reichspost", das Zentralorgan der Christlichsozialen Partei, am 17. September 1933: Die Gemeindeverwaltung trieb einen Luxusaufwand, der mit ihrem Vernichtungskrieg gegen allen Luxus in schreiendstem Widerspruch stand [...] Auch Proletarier brauchen Bäder. Also baute man ihnen einen kostspieligen Badepalast, in dem sie sich gar nicht heimisch fühlen.


Die Anlage bot Platz für etwa 1.300 Besucher und zählte damit zu den größten Bädern Europas. Architektonisch war es an den Grundrissen römischer Thermen angelehnt, wobei unterschiedlichste Bademöglichkeiten angeboten wurden: Es gab Dampf-, Heißluft- und medizinische Bäder (wie Diathermiebehandlung, Schlamm-, Sole-, Gas- und elektrische Bäder), Wannen und Brausen. Letzteres galt als Ergänzung zum Wohnbauprogramm des "Roten Wien", wo in den Grundrissen der Gemeindewohnungen ursprünglich kein Bad vorgesehen war.

 
 

 

R_Vorhalle_um1930_MA44Die Aktfiguren des Bildhauers Karl Stemolak an der Fassade des Bades verweisen auch auf die Körperpflege; Männer und Frauen sind hier in Haltungen dargestellt, die mit Waschen und Duschen in Bezug stehen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg musste der schwer beschädigte Bau wieder instand gesetzt werden, wobei leider wertvolle architektonische Elemente verloren gingen.
Die feierliche Wiedereröffnung erfolgte bereits im Februar 1948. Im Zuge der umfangreichen Generalsanierung von 1980 bis 1986 wurde auf die Bewahrung historischer Teile großer Wert gelegt; gleichzeitig wurde das Bad modernisiert und um eine Trainingsschwimmhalle erweitert.

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Heute ist das Amalienbad wieder eine der schönsten Badeanstalten Europas. Besonders eindrucksvoll sind die eleganten Innenräume, etwa die Saunabereiche (Frauen und Männer saunieren bis auf wenige Ausnahmetage getrennt), einzigartig das runde Warmwasserbecken im Art-déco-Stil mit Mosaik auf dem Beckenboden, breiten Stufen und umgebenden Säulen.

Für die Auststattung mit baukeramischen Arbeiten zeichnete die Firma "Brüder Schwadron" verantwortlich.

Amalienbad

Tel.: 607 47 47
10., Reumannplatz 23

Literatur: Inge Podbrecky, Rotes Wien, 2003; Sabine Schmidt und Petra Schwaiger, Das Amalienbad. Die Geschichte einer Wiener Institution, 2001, Helfried Seemann und Christian Lunzer, Wiener Bäder, 2004; Helmut Weihsmann, Das Rote Wien. Sozialdemokratische Architektur und Kommunalpolitik 1919–1934, 1985/2002; Walter Zednicek, Architektur des Roten Wien, 2009.