Rund um den Herderpark

  • Strindberghof

    Wir beginnen unseren Spaziergang bei der U3-Station Zipperer- straße. Gleich hinter dem U-Bahn-Aufgang stoßen wir in der Rinn- böckstraße auf die lange Seitenfassade des Strindberghofes. Die Wohnhausanlage wurde in den Jahren 1930 bis 1933 nach Plänen von Emil Hoppe und Otto Schönthal errichtet und nach dem schwe- dischen Schriftsteller August Strindberg (1849-1912) benannt. In der Rinnböckstraße wird die lange Fassade durch einen heraus- gehobenen Mitteltrakt mit Loggien und Balkonen unterbrochen. Hier befindet sich ein großes Lokal der Kinderfreunde und eine Gedenk- tafel für den Mitarbeiter des Gaswerkes Simmering, Otto Koblicek, der sich am 5. April 1945 der Zerstörung des Gaswerks durch SS-Angehörige entgegenstellte und diesen Einsatz mit seinem Leben bezahlte.

  • Strindberghof_2

    Der eigentliche Haupteingang des Strindberghofes befindet sich in der kurzen Strindberggasse. Links und rechts des pylonartigen Eingangsbereiches wurden zwei große Reliefs angebracht, die Arbeiter bzw. Bauern mit ihren Familien darstellen. Die den Eingang flankierenden Blöcke besitzen flache Loggien. Die betonte Schlicht- heit der blockartigen Wohnanlage mit parkähnlichem Innenhof entspricht der späten Phase der Gemeindebauten. Durch die elegante Gliederung der Fassaden mit horizontalen und vertikalen Fugen kommt dennoch keine Monotonie auf. Gegenüber dem Haupteingang in der Strindberggasse schließt ein freistehender langer Block (mit bemerkenswerten Gittern) die U-förmige Anlage nach dieser Seite hin ab.

  • Amtshaus_simmering

    Über die Rinnböckstraße und die Kopalgasse gelangen wir zur Simmeringer Hauptstraße und erreichen nach einigen Schritten stadtauswärts den Enkplatz. Hier befindet sich das Amtshaus für den 11. Bezirk und das Bezirksmuseum Simmering, das Bilder, Gegenstände und Urkunden von der ersten Erwähnung Simmerings im Jahr 1028 über die Geschichte der Türkenkriege bis zur Indus- trialisierung des Bezirks im 19. und 20. Jahrhundert zeigt und jeden Freitag von 14–17 Uhr sowie jeden 1. und 3. Sonntag im Monat von 10-12.30 Uhr geöffnet ist.

  • Widholzhof_galerie_2_digi1

    Wir folgen nun – vorbei an der 1907 errichteten Kirche – der Drischützgasse, biegen links in die Lorystraße und überqueren die Geiselbergstraße, wo wir auf den frisch renovierten Widholzhof (Geiselbergstraße 60-64) stoßen. Die in den Jahren 1925/26 nach Plänen von Engelbert Mang errichtete Wohnhausanlage umfasst 210 Wohnungen und wurde nach dem Simmeringer Abgeordneten Laurenz Widholz (1861–1926) benannt. Der gelernte Tischler Widholz erkämpfte 1907 in Simmering das erste sozialdemokratische Direktmandat zum Reichsrat, dem er bis 1918 angehörte. Bereits 1912 errichtete die Ortskrankenkasse in Simmering auf seine Initiative hin Wohnhäuser für Arbeiterfamilien. Widholz gehörte von 1918 bis zu seinem Tod dem Nationalrat an; von 1919 bis 1920 war er außerdem Landeshauptmannstellvertreter von Niederösterreich. Mit seinem Bemühen um eine Vereinheitlichung des Sozialversicherungswesens, seinem Einsatz für Lehrlingsschutz und Jugendfürsorge leistete er wertvolle Beiträge zur fortschrittlichen Sozialgesetzgebung unter Staatssekretär Ferdinand Hanusch.

  • Widholzhof_galerie_1_digi

    Beim Widholzhof handelt es sich um eine größere, freistehende Anlage mit langen, abgerundeten Balkonen und durchgehend verglasten Stiegenhäusern. Sehr schön ist auch die konstruktivis- tische Rückfassade zur Greifgasse (und zum Herderpark) mit der geschwungenen Straßenfront und dem turmartigem Mitteltrakt. Im Straßenhof zur Geiselbergstraße befindet sich der "Pelikan- brunnen" von Alfred Hoffmann. Insgesamt ein sehr interessanter und stimmiger Bau! Der Widholzhof war 1934 hart umkämpft. Am 12. Februar 1934 verschanzten sich kampfbereite Schutzbündler in dem Gebäude; tags darauf begann das Bundesheer mit dem Beschuss der Anlage. Als am 14. Februar auch Gebirgskanonen und Minenwerfer in Stellung gebracht wurden, ergaben sich die Verteidiger der Übermacht.

  • Josef_scheu_hof_galerie_1_digi1

    Wir folgen nun der am Herderpark entlanglaufenden Greifgasse und biegen rechts in die Ehamgasse, wo sich der Eingang zum 1925/26 nach Plänen von Franz Wiesmann errichteten Josef-Scheu-Hof befindet. Die Anlage wurde nach dem Pionier der Arbeitersänger- bewegung Josef Scheu (1841–1904) benannt, der als Komponist des am 29. August 1868 uraufgeführten "Liedes der Arbeit" (Text: Josef Zapf) "unsterblich" wurde. Josef Scheu war auch gewerkschaftlich tätig. 1872 gründete er die erste Interessensvertretung der Musiker, den "Wiener Musikerbund", und setzte lohn- und arbeitsrechtliche Verbesserungen durch. Wegen seiner gewerkschaftlichen und politischen Aktivitäten wurde er 1881 am Burgtheater zwangspensioniert und auch mehrmals verhaftet.

  • Josef_scheu_hof_galerie_3_digi1

    Der für einen Bau dieser Zeit ungewöhnlich sachliche und nahezu quadratische Vierkantbau wurde im Volksmund wegen seiner hell- und dunkelbraunen Fassadengestaltung auch "Schokoladenhof" genannt. Flache Dreieckserker, -loggien und sparsamer Putzdekor prägen die Fassaden. Tiefe Eingänge mit kassettengeschmückten Tonnengewölben führen in den Innenhof, wo sich eine Pergola mit Wasserbecken und die Plastik "Nixchen" von Anton Endstorfer befinden.

  • Schwimmbad

    Wir verlassen den Hof Richtung Herbortgasse und wenden uns nach links zum Herderpark, einer weiteren Errungenschaft des "Roten Wien". Ein Teil des heutigen Herderparks bildete ursprünglich den Vorgarten der in den Jahren 1910/11 errichteten Volksschule am Herderplatz; auf dem restlichen Gelände befanden sich bis in die 1920er Jahre Kleingärten. Das Areal wurde nach Entwürfen des Gartenarchitekten Fritz Kratochwjle zu einer Parkanlage mit integriertem Kinderfreibad umgestaltet, die Eröffnung erfolgte am 4. Mai 1930. Die Namens- gebung des Parks folgte der Benennung des nahen Herderplatzes, der bereits 1911 nach dem deutschen Dichter, Philosophen und Theo- logen Johann Gottfried von Herder (1744 bis 1803) benannt worden war. Besonders sehenswert ist das schön restaurierte Kinderfreibad (1928/29) mit großem Becken, eines der wenigen noch weitgehend original erhaltenen Kinderfreibäder, von denen es vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nicht weniger als 23 gab.

  • Herderpark

    Vom Bad durchqueren wir die im Jahr 2006 durch den Landschafts- architekten Ferenc Bodi umfassend revitalisierte Parkanlage, ver- weilen kurz beim von Rosenbeeten flankierten Brunnen mit der Stein- plastik "Meerjungfrau" von Franz Sauter (1931) und gehen weiter zum ebenfalls frisch renovierten Dr.-Franz-Klein-Hof (Herbortgasse 24 / Herderplatz 6).

  • Dr_franz_klein_hof_galerie_1_digi1

    Die in den Jahren 1924/25 von Karl Krist errichtete Wohnhausanlage wurde nach dem Juristen und Reformer der Jugendfürsorge Franz Klein (1854–1926) benannt. Der Dr.-Franz-Klein-Hof ist eine größere, blockartige Verbauung mit mächtigem Spitzbogenportal. Die hohen Giebel, Erker, Dachgauben und zahlreichen Spitzbögen sind typisch für den "romantischen" Stil der frühen Gemeindebauten. Die starken Geländeunterschiede wurden durch Treppenanlagen geschickt überbrückt.

  • Dr_franz_klein_hof_galerie_3_digi1

    An den Fassaden finden sich eigenwillige, bündelartige Putzdeko- rationen. In der Anlage waren eine Zahnklinik, mehrere Werkstätten, Geschäfts- und Lagerräume, eine Filiale der Arbeitergebietskranken- kasse, ein Kinderhort (mit ausdrucksstarken Kinderdarstellungen!) und fünf Ateliers untergebracht. An den Namensgeber der Anlage erinnert eine Gedenktafel mit Medaillon von Wilhelm Fraß (1932) beim Eingang Herbortgasse.

  • Friedrich_engels_hof

    Wir verlassen den Hof über die Herbortgasse, gehen links (Richtung Park) und gleich wieder rechts, wo sich am Herderplatz, Ecke Eham- gasse 8 der in den Jahren 1925/26 nach Plänen von Franz Kaym, Alfons Hetmanek und Hugo Gorge errichtete und nach dem großen Theoretiker der Arbeiterbewegung benannte Friedrich-Engels-Hof befindet. Der Friedrich-Engels-Hof ist eine große, blockartige Verbauung mit eigenwilligen, etwas manierierten Putz- und Klinkerverzierungen. Die leicht geschwungene Front zum Herderplatz ist mit extrem langen Balkonen ausgestattet, darüber befinden sich kastenartig hervor- tretende Erker; die beiden außenliegenden sind mit kräftigen, weißen Bandornamenten verziert. Weitere Erker dieser Art finden sich in den Nebengassen. Der Haupteingang (mit Straßenhof) in der Ehamgasse besitzt ein gewaltiges zweistöckiges Portal, darüber etwas befremd- lich wirkende Spitzerker. Im unregelmäßigen Hof befindet sich ein Brunnen. Nach 1934 wurde das "S" aus der Inschrift entfernt; der Hof hieß bis zum Ende der NS-Zeit ganz harmlos "Engel-Hof"!

  • Alfons_petzold_hof

    Am Schnittpunkt Herderplatz, Ehamgasse und Hakelgasse stoßen wir auf den in den Jahren 1923/24 nach Plänen von Adolf Stöckl errichteten und nach dem Arbeiterdichter Alfons Petzold (1882–1923) benannten Alfons-Petzold-Hof. Der Alfons-Petzold-Hof gehört zu den ersten Gemeindebauten Wiens und steht mit seinem zweifärbigen Putz, den kleinen Putzornamenten und den polygonalen Erkern mit gedrehten Ziersäulchen noch ganz im Zeichen der "romantischen" Architektur. Der Ecktrakt ist aus per- spektivischen Gründen deutlich niedriger ausgebildet.

  • Karl_hoeger_hof_galerie_digi1

    Am Ende der Hakelgasse biegen wir rechts in die Lorystraße ein, wo auf Nr. 40-42 der in den Jahren 1925/26 ebenfalls nach Plänen von Franz Kaym, Alfons Hetmanek und Hugo Gorge errichtete Karl-Höger-Hof wartet, benannt nach dem Gewerkschaftspionier Karl Höger (1847–1913). Der Karl-Höger-Hof weist, ähnlich wie der vom selben Architekten- team errichtete Friedrich-Engels-Hof, eine Reihe interessanter ornamentaler Details auf – so z.B. die eigenartigen Bandverzierungen an den leicht hervorgehobenen Fensterpartien der ansonsten glatten Fassaden, die jenen am Engels-Hof ähneln.

  • Karl_hoeger_hof_galerie_4_digi1

    Beeindruckend ist auch das mehrfach gerahmte, zweigeschossige Monumentaltor. Der Hof enthält ein Kindertagesheim und ein Haus der Begegnung. Am 12. Februar 1934 hatte der Republikanische Schutzbund im Karl-Höger-Hof einen Verbandplatz eingerichtet. Am folgenden Tag begann der Angriff der Regierungstruppen auf die Wohnanlage und am 14. Februar mussten sich die Arbeiter den Angreifern ergeben. Im Polizeibericht wurde vermerkt, dass im Haus zwei erschossene Personen aufgefunden wurden, ein Schutzbündler und eine Frau.

  • Markt

    Die Lorystraße stadteinwärts gehend erreichen wir nach wenigen Schritten den 1924 errichteten Simmeringer Markt, über den es bereits im 1996 erschienenen Falter-Buch "Die Wiener Märkte" heißt: "Das Schönste am Simmeringer Markt ist zweifellos die alte Toilette- anlage im Stile der Wiener Gemeindebauarchitektur der zwanziger Jahre".

  • Markt2

    Der mittlerweile fast völlig verwaiste Markt wird demnächst einem neuen Bildungszentrum mit einer Musikschule, städtischen Bücherei und Volkshochschule weichen. Die Errichtung mehrerer Marktkioske soll dazu beitragen, dass der Platz auch weiterhin einen gewissen Marktcharakter behält. Der traditionelle Bauernmarkt soll ebenfalls bestehen bleiben.