Durch Erdberg

  • Hainisch_hof_neu

    Zwischen der Landstraßer Hauptstraße und dem Donaukanal befinden sich zahlreiche bemerkenswerte kommunale Wohnhaus- anlagen der Ersten Republik, die auf diesem Spaziergang besichtigt werden sollen. Wir beginnen unsere Tour beim kleinen Marianne-Hainisch-Hof (Ecke Landstraßer Hauptstraße / Petrusgasse), der in den Jahren 1927/28 nach Plänen von Rudolf Perthen errichtet und nach Marianne Hainisch (1839–1936), einer der Begründerinnen der bürgerlichen öster- reichischen Frauenbewegung benannt wurde. Interessant ist v.a. die Eckgestaltung mit polygonalem Eckturm und Spitzbogenloggien an beiden Straßenfronten.

  • 02_klopsteinplatz

    Über die Petrusgasse gelangen wir links zum Klopsteinplatz, wo sich an der Ecke zur Schrottgasse eine 1927/28 nach Plänen von Walther Sobotka errichtete Wohnhausanlage befindet, die durch ihre groß- zügigen Atelierfenster im Erdgeschoss auffällt und in ihrer zurück- haltenden Modernität wahrscheinlich zu den interessantesten Bauten des Bezirks gehört. Die Fassade des Gebäudes wird von tiefen Loggien durchbrochen; am Klopsteinplatz selbst bilden vertikal durchlaufende Stiegenhaus- fenster ein typisches Element der "Neuen Sachlichkeit".

  • 04_rabenhof_wrwohnen_bausteine_gerry_frank

    Der Schrottgasse folgend erreichen wir bei der Baumgasse den großen Rabenhof mit dem gleichnamigen Theater. Die in den Jahren 1925 bis 1929 nach Plänen von Heinrich Schmid und Hermann Aichinger auf dem Gelände der ehemaligen Krimsky-Kaserne errichtete Anlage war ursprünglich nach dem früheren Chefredakteur der Arbeiter-Zeitung und Nationalratsabgeordneten Friedrich Austerlitz (1862–1931) benannt und zählt mit insgesamt 1.109 Wohnungen zu den größten Wohnhausanlagen der Stadt.

  • 03_rabenhof_wrwohnen_bausteine_gerry_frank

    Der von den Austrofaschisten nach der Rabengasse, die ihren Namen wiederum von einem spätbarocken Hausschild "Zum Raben" erhalten hatte, umbenannte Hof besteht aus einer malerischen Abfolge von Höfen, Durchgängen, Plätzen und Straßen und besticht durch eine Fülle expressionistischer Details, etwa in den Balkon- und Loggien- gruppen oder in den Mustern der Klinkerverkleidungen, die diesen Bau zu einer der sehenswertesten Wohnhausanlagen des "Roten Wien" machen.

  • 05_rabenhof_wrwohnen_bausteine_gerry_frank

    Der Rabenhof, der u.a. auch eine Zentralwäscherei, einen Kinder- garten, eine Kinderzahnklinik, ein Krankenkassenlokal, ein Arbeiter- heim, ein Parteilokal, eine Bibliothek und 38 Geschäftslokale enthielt, wurde in den Jahren 1987 bis 1992 umfassend saniert; dabei wurden Aufzüge eingebaut, Fenster und Gehwege erneuert, die Fassaden mit Wärmeschutz versehen und die Grünflächen neu gestaltet.

  • Franz_silberer_hof_1_neu

    Wir verlassen den Rabenhof durch den monumentalen Spitzbogen- bau und gelangen zum Kardinal-Nagl-Platz, wo sich auf Nummer 14 der in den Jahren 1927/28 nach Plänen von Georg Rupprecht errichtete Franz-Silberer-Hof, benannt nach einem bereits 1912 verstorbenen sozialdemokratischen Abgeordneten und Gewerk- schaftsführer, befindet. Die große Hofanlage besticht durch ihre höchst eigenwilligen expressionistischen Spitzbogenloggien und ihren Putzdekor aus diagonal verlaufenden Gitterstäben.

  • 07_franz_silberer_hof_2

    Ganz anders präsentiert sich der Innenhof, in dem "romantische" Elemente, wie halbrunde Stiegenhaustürme, Scheinzinnen und lange, leicht gewölbte Balkone dominieren. Insgesamt eine stilistisch etwas uneinheitliche, aber durchaus sehenswerte Anlage.

  • 08_roman_felleis_hof

    Über die Drorygasse kommen wir nun zur Hagenmüllergasse, wo wir zunächst nach rechts, zur Nummer 32, weitergehen. Der hier gelegene Roman-Felleis-Hof wurde in den Jahren 1927/28 nach Plänen von Johann Rothmüller errichtet und 1949 nach dem im KZ-Buchenwald getöteten Funktionär der Revolutionären Sozialisten, Roman Felleis (1903–1944), benannt. Zu erwähnen sind auch hier die expressiven Spitzerker, die die mehrfach abgestufte Straßenfront des zweifärbig verputzten Gebäudes gliedern, sowie der repräsentativ gestaltete Eingangs- bereich mit kannelierten Pilastern.

  • 10_hagenmuellergasse25

    Wenn wir nun die Hagenmüllergasse zurückgehen, sehen wir zunächst auf Nummer 25 (Ecke Drorygasse) eine 1927/28 nach Plänen von Hugo Mayer errichtete Wohnhausanlage mit strenger, klassizistisch wirkender Fassade und einer prächtigen Hofeinfahrt mit darüberliegendem Dreieckserker, der von einem Stufengiebel mit Steinkugel bekrönt wird. Die großen, nachträglich verglasten Veranden dieses imposanten Gebäudes ruhen straßenseitig auf schmalen Rundbögen, im Hof auf schlanken Stahlbetonstützen. Schön ist auch der tiefer liegende Hof, der mit Blumenvasen, einer Stahlbetonpergola und einer Laube ausgestattet ist.

  • 09_hagenmuellergasse21_1

    Gleich nebenan, auf Nummer 21-23, liegt eine weitere namenlos gebliebene Wohnhausanlage, die ebenfalls in den Jahren 1927/28 nach Plänen von Karl Dirnhuber errichtet wurde. Dieser sehenswerte Bau besitzt einen zur Straße hin offenen Hof und wird durch Gesimsbänder horizontal und durch Loggienpaare vertikal gegliedert; im rechten Hofteil findet sich ein verglaster Stiegenhaus- turm, der wiederum von Balkonen flankiert wird.

  • 11_franz_schuster_hof

    Immer noch in der Hagenmüllergasse erreichen wir auf Nummer 14-16 den 1927/28 nach Plänen von Alfred Kraupa errichteten Franz-Schuster-Hof mit Rundbogenloggien und massiven Erkergruppen, benannt nach dem Schutzbündler und späteren NS-Opfer Franz Schuster (1904–1943).

  • 12_anton_kohl_hof

    Schräg gegenüber, an der Ecke zur Rüdengasse, nimmt der nach dem Wiener Gemeinderat Anton Kohl benannte und in den Jahren 1927/28 nach Plänen von Camillo Fritz Discher und Paul Gütl errichtete Anton-Kohl-Hof den gesamten Baublock ein. Hervorstechendstes Merkmal der Anlage ist neben ihrer lebhaften Farbgebung v.a. das in der Rüdengasse gelegene monumentale Rundbogenportal mit hochgezogenen Ecktürmen, das nahezu stadttorartig wirkt.

  • 14_erdbergerhof

    Zurück über die Hagenmüllergasse wenden wir uns nun links in die Drorygasse, wo zwei interessante Bauwerke warten. Auf Nummer 19-23 ist der in den Jahren 1921/22 von Karl Schmalhofer noch vor Einführung der Wohnbausteuer errichtete Erdbergerhof die älteste kommunale Wohnhausanlage des 3. Bezirks. Die breite Fassade des Gebäudes weist noch eine streng klassi- zistische Gestaltung mit Pilastern, Rundbogenlisenen und einen beinahe biedermeierlichen Dekorationsschmuck (Porträtmedaillons) auf; einige Details, wie die blattartigen Appliken oder die Steinkugeln, deuten jedoch bereits auf spätere Entwicklungen im kommunalen Wohnbau hin.

  • 15_landstrasserhof

    Auf der gegenüberliegenden Straßenseite überrascht der in den Jahren 1924/25 nach Plänen von Karl Badstieber errichtete Landstraßer Hof mit seinen überaus verspielt wirkenden Fassaden, die durch Spitzgiebel, Balkone und Spitzerker gegliedert werden. Puristen werden sich an den "putzig" wirkenden Medaillons mit Blumenvasen und -ranken weniger erfreuen...

  • Dietrichgasse_32

    Reichlich skurril wirkt auf den ersten Blick auch der Bau in der Dietrichgasse 32-34 (am oberen Ende der Drorygasse), der 1926/27 nach Plänen von Bruno Richter errichtet wurde. Über der Hofeinfahrt finden sich Spitzerker, die Ziegelverkleidung reicht hier bis zur Dachgeschosszone. Die verschränkt eingesetzten Erker an der Gebäudeecke sind ein weiteres Kuriosum und verleihen dem Bau ein etwas "verzerrtes Gesicht" (H. Weihsmann). Die Sockelzone ist mit Klinker verkleidet, der Eingangsbereich auch mit roten keramischen Platten. Insgesamt jedoch eine ungewöhnliche und mutige architektonische Ansage im grauen Einerlei vieler umgebender Straßenzüge.

  • 19_hanusch_hof3

    Der Dietrichgasse folgend erreichen wir nach wenigen Schritten den großen Hanusch-Hof. Die mächtige Anlage wurde in den Jahren 1924/25 nach Plänen von Robert Oerley an der Erdberger Lände errichtet und nach dem Sozialpolitiker Ferdinand Hanusch (1866–1923) benannt. Die Anlage besitzt drei polygonale Straßenhöfe und einen stark gegliederten Innenhof mit flachen Spitzerkern. Eine Besonderheit stellt die Errichtung von mehr als 20 Künstlerateliers dar. Unter anderem lebte auch der Maler Rudolf Hausner für einige Jahre im Hanusch-Hof. Der Hanusch-Hof wird gegen den Donaukanal von einem niedrigen Gebäudetrakt abgeschlossen, in dem die Badeanlagen und die Wäschereien, ferner eine Volksbibliothek, ein Kinderhort und die Hauswartswohnungen untergebracht waren. Durch die geringere Höhe dieses Trakts besitzt der Großteil der in den Hof mündenden Wohnungen eine prächtige Aussicht auf die ausgedehnten Grün- flächen des Praters.

  • 18_hanusch_hof2

    Im Hanusch-Hof wurde auch zum ersten Mal in einer Landstraßer Wohnhausanlage ein Kunstwerk errichtet. Die 1926 von Karl Gelles geschaffene bronzene Kolossalstatue eines Athleten ("Nackter Jüngling"), der in seinem Rücken andrängende Gestalten abzuwehren scheint, ruht auf einem Sockel mit der Inschrift "Dem Schöpfer des modernen Arbeitsrechtes Ferdinand Hanusch gewidmet." Die 1934 entfernte und im Zweiten Weltkrieg verschollene Statue wurde nach Kriegsende nach der von den Wiener Metallwerken aufbewahrten Gussform vom Bildhauer Rudolf Schmidt im Auftrag der Arbeiterkammer neu gegossen und 1954 feierlich enthüllt.

  • 20_schlachthausgasse

    Hier am Ende unserer Tour lohnt noch der am Ludwig-Koeßler-Platz, Ecke Schlachthausgasse gelegene namenlose Bau einen längeren Blick. Die 1926/27 nach Plänen von Josef und Martin Ziegler sowie Arthur Berger errichtete Wohnhausanlage ist effektvoll zur Stadion- brücke hin ausgerichtet. Übereck geführte Balkone und versetzt angeordnete kubische Elemente verleihen diesem interessanten Bau eine stark konstruktivistische Note. Wer noch Zeit und Lust hat, dem sei das nahegelegene Tramway- museum (Straßenbahnremise Erdberg 3., Ludwig-Koeßler-Platz) wärmstens empfohlen.