Ich bin der Schrei ...

Adolf Unger

 

Ich bin der Schrei jener,
denen man das Tor nicht öffnet.
An denen man vorüber geht, die man starr übersieht.
Ich bin einer jener, die man nicht einlädt, 
die Fremde sind im eigenen Haus.
Ich bin einer jener,
die an fremde Türen schüchtern klopfen,
und denen man durchs Fenstergitter etwas reicht
und selten Warmes.
Ich bin einer jener, die in Höfen stehn
und ihre Lieder singen,
doch keiner öffnet seine Scheiben,
denn keiner will uns sehn.
Für uns gibt es kein Bleiben,
wir müssen immer weiter gehen.
Ich bin einer jener,
denen man das Tor nicht öffnet,
Ausdruck bin ich, aller Münder Schrei.
Ich bin der Finger aller Hände,
und bins, der an allen Türen klopft.
Denn wo das Brot liegt und der Hunger wartet,
und wo man fordert, dort ist mein Ruf dabei.
Ich bin einer jener,
denen man das Tor nicht öffnet,
aber auch einer,
die nicht schüchtern sind.
Alle Tore werden sich öffnen
und überall werde ich zu Gast sein,
ich, der Schrei jener,
denen man das Tor nicht öffnet!

Aus: "Zeitstrophen"