Bühler, Karl und Charlotte

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Karl Bühler wurde am 27. Mai 1879 in Meckesheim (nahe Heidelberg) geboren, studierte zunächst Medizin und war ab 1903 als Arzt tätig. Daneben absolvierte er ein Psychologiestudium, das er 1906 abschloss.

Ab 1915 war Karl Bühler außerordentlicher Professor in München. In dieser Zeit lernte er die am 20. Dezember 1893 in Berlin als Kind einer jüdischen Intellektuellenfamilie geborene Charlotte Malachowski kennen, die im Zuge ihres Studiums nach München gekommen war.

1916 heirateten die 22jährige Studentin und der 37jährige Professor. Ein Jahr später wurde die Tochter Ingeborg geboren, 1919 Sohl Rolf Dietrich.

Buehler_Charlotte_TF_DOeW1918 promovierte Charlotte Bühler zum Doktor der Philosophie und wandte sich der Psychologie zu.
Nach einem kurzen Aufenthalt in Dresden kam das Paar 1922 nach Wien, das zu diesem Zeitpunkt dank Sigmund Freud, Alfred Adler und vielen anderen ein Kristallisationspunkt der modernen Psychologie war.

Charlotte Bühler hatte sich bereits in Dresden mit der Veröffentlichung ihres Werks "Das Seelenleben des Jugendlichen" (1921) einen Namen gemacht und trieb in Wien ihre bahnbrechenden jugendpsychologischen Forschungen voran.

Karl Bühler wirkte als Professor für Psychologie und Leiter des Psychologischen Instituts – zu jener Zeit eine der modernsten Einrichtungen dieser Art weltweit. Daneben unterrichtete er in den Lehrerfortbildungskursen am Pädagogischen Institut der Stadt Wien. Ab 1931 war Bühler, bei dem auch Marie Jahoda dissertierte, Präsident der Österreichischen Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle. Eine Berufung nach Harvard lehnte er 1930 auf den ausdrücklichen Wunsch seiner Frau hin ab, die in Wien bleiben wollte.


Charlotte Bühler hatte 1929 eine außerplanmäßige Professur erhalten. Mit ihrem großen Studentenkreis, dem auch Lotte Schenk-Danzinger angehörte, betrieb sie Verhaltensbeobachtungen bei Kindern und Jugendlichen. Selbst Stipendiatin der Rockefeller Foundation, erhielt Charlotte Bühler von dieser nun eine regelmäßige Förderung für das Psychologische Institut, die auch zur Finanzierung der Marienthal-Studie beitrug.

In Wien führte das Ehepaar Bühler ein beinahe herrschaftliches Haus, das zum Mittelpunkt vieler gesellschaftlicher Ereignisse und einer internationalen Wissenschaftler-Szene wurde.

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Zum Zeitpunkt des "Anschlusses" Österreichs weilte Charlotte Bühler in London. Karl Bühler wurde am 23. März 1938 verhaftet und von der Universität entfernt.

Nach seiner Freilassung emigrierte das Paar zunächst nach Oslo, später in die USA, wo beide ihre wissenschaftlichen Arbeiten fortsetzen konnten – Karl Bühler als Professor in Minnesota (1940-45) und an der Universität von Southern California in Los Angeles (1945-55), Charlotte Bühler als klinische Psychologin und seit 1950 als Psychiatrieprofessorin ebenfalls an der Universität von Southern California.

Karl Bühler starb am 24. Oktober 1963 in Los Angeles. Charlotte Bühler kehrte 1971 zu ihrem Sohn nach Stuttgart zurück, wo sie am 5. Februar 1974 starb.

Am Palais Epstein, dem früheren Sitz des Stadtschulrates, erinnert eine Gedenktafel an das Ehepaar Karl und Charlotte Bühler, die von 1923 bis 1934 das von der Stadt Wien gegründete "Psychologische Institut" zu einer der bedeutendsten Forschungseinrichtungen auf diesem Gebiet machten.

Werk:– Karl Bühler: Die Gestaltwahrnehmungen, 1913; Die Krise der Psychologie, 1927; Die geistige Entwicklung des Kindes, 1930; Ausdruckstheorie – Das System an der Geschichte aufgezeigt, 1933; Sprachtheorie – Die Darstellungsfunktion der Sprache, 1934; Die Zukunft der Psychologie und die Schule, 1936; Abriss der geistigen Entwicklung des Kindes, 1949. – Charlotte Bühler: Das Seelenleben des Jugendlichen, 1921; Kindheit und Jugend, 1928; Kind und Familie 1937; Kindheitsprobleme und der Lehrer, 1958; Der menschliche Lebenslauf als psychologisches Problem, 1959; Kleinkindertests, 1970; Das Märchen und die Phantasie des Kindes, 1971; Psychologie im Leben unserer Zeit, 1975.
Literatur: Gustav Lebzeltern, Karl Bühler – Leben und Werk, 1970; Josef Prantl, Karl Bühler, 1986; Charlotte Schenk-Danzinger, Erinnerungen an Karl und Charlotte Bühler, 1989; Achim Eschbach, Karl Bühler – Vertriebene Vernunft, 2004; Gerald Bühring, Charlotte Bühler, 2007.