Theater in der Josefstadt

8., Josefstädter Straße 26

Theater_inder_josefstadt_head_digi

T

Das Theater in der Josefstadt ist nach dem Burgtheater die älteste existierende Sprechbühne Wiens. 1788 wurde es als kleinstes der drei Vorstadttheater (neben dem Theater an der Wien und dem Leopoldstädter Theater) erbaut; 1822 wurde das Gebäude von Joseph Kornhäusel neu errichtet, wobei auch eine Gaststätte hinzukam.

Wolfgang Reischel, der Besitzer des Gasthauses "Zum Straußen", übernahm 1833 das Gasthaus im Theater in der Josefstadt, ließ es komplett umbauen und am 1. Juni 1834 mit einem großen Ball, bei dem Johann Strauß Vater dirigierte, eröffnen. Die in weiterer Folge "Sträußelsäle" genannten Räumlichkeiten wurden zum Schauplatz verschiedener historischer Veranstaltungen.

Im Revolutionsjahr 1848 waren die "Sträußelsäle" Sitz des kurzlebigen "Ersten Allgemeinen Arbeitervereins", der auf Initiative des Buchbindergesellen Friedrich Sander am 24. Juni 1848 gegründet worden war. Das Programm des Vereins kennzeichnet die damalige Lage der Arbeiterschaft: Belehrung durch leichtfassliche Vorträge, Förderung der Bildung durch eine Bibliothek, Förderung der Geselligkeit durch einen Gesangsverein und Deklamationen.

TF_Maerzgaenge_Maerz1848_Mariahilferlinie_VGA
TF_Marx_VGA6

Am 27. August 1848 kam Karl Marx nach Wien, um hier drei Vorträge zu halten. Marx war zu diesem Zeitpunkt kein Unbekannter mehr. Am Beginn des Jahres 1848 war das Manifest der kommunistischen Partei erschienen, das Marx gemeinsam mit Friedrich Engels verfasst hatte. Schon am Tag nach seiner Ankunft war Marx einer der Redner bei einer Diskussion über die Arbeiterfrage, die vom "Demokratischen Verein", einer linksstehenden bürgerlichen Vereinigung, veranstaltet wurde. Bei dieser Versammlung im Gasthaus "Zum Engländer" in der heutigen Währinger Straße vertrat Marx die Auffassung, die Arbeiter und ihre Verbündeten müssten zur führenden Kraft der Revolution werden.

Am 30. August und am 2. September sprach Marx auf Einladung des "Ersten Allgemeinen Arbeitervereins" in den "Sträußelsälen". Beim ersten Vortrag berichtete er vor mehr als tausend Zuhörern über den Verlauf der Revolution in Deutschland und in Frankreich, beim zweiten legte er seine Gedanken über Lohnarbeit und Ausbeutung im Kapitalismus dar. Dieser Vortag wurde später als Broschüre mit dem Titel "Lohnarbeit und Kapital" veröffentlicht.

Die Niederwerfung der Revolution im Oktober 1848 bedeutete auch das Ende für den "Ersten Allgemeinen Arbeiterverein". Die "Sträußelsäle" wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer mehr zu einem Zentrum der Halbwelt. 1885 mussten sie aus Sicherheitsgründen gesperrt werden, 1923/24 wurden sie auf Initiative des neuen Theaterpächters Max Reinhardt neu gestaltet und wiedereröffnet. 1954 erhielten sie ihr heutiges Aussehen durch Otto Niedermoser. 

Literatur : Herbert Steiner, Karl Marx in Wien: die Arbeiterbewegung zwischen Revolution und Restauration 1848, 1978.