Der Physiker und Chemiker Kurt Horeischy war schon in den dreißiger Jahren Mitglied der "Roten Studenten" und ein Antifaschist der ersten Stunde. Nachdem er am Polenfeldzug teilgenommen und sich dort ein schweres Lungenleiden zugezogen hatte, wurde er von der Wehrmacht entlassen. Von 1941 an leitete er das Mikrochemische Laboratorium. Durch seinen tragischen Tod am 5. April 1945 nimmt er in der Chronik der Universität Wien einen prominenten Platz ein.
Der Tiefkeller des Ersten Chemischen Instituts in der Währinger Strasse 42 war während des Krieges eine Zufluchtsstätte für viele Menschen. Zum einen bot er Schutz vor Fliegerangriffen, zum anderen war er ein Versteck für Juden und politisch Verfolgte. Auch die im Oktober 1944 von Kurt Horeischy und dem späteren Professor Otto Hoffmann-Ostenhof gegründete Widerstandsgruppe "Tomsk" traf sich hier regelmäßig.
Wenige Tage vor Kriegsende war allen Institutsmitgliedern klar, dass der Befehl zur Zerstörung wichtiger Einrichtungen und Geräte unmittelbar bevorstand. Um die Mittagsstunde des 5. April 1945 informierte Hans Vollmar (8. 6.1915, Baden-Baden – 5.4.1945, Wien), der erste Assistent des Institutsdirektors Jörn Lange, seinen Kollegen Horeischy, dass Professor Lange mit der Betriebsanleitung auf dem Weg zum Elektronenmikroskop, dem einzigen Gerät dieser Art in Österreich, sei. Horeischy entschloss sich spontan, Lange an der Zerstörung dieses wertvollen Instruments zu hindern.
Nach einem längeren Wortwechsel lenkte Lange scheinbar ein und forderte die Gruppe, die sich inzwischen um ihn versammelt hatte, auf, in seinem Arbeitszimmer alles in Ruhe zu besprechen. Kaum hatten sie das Büro betreten, schoss Lange jedoch auf sie und traf Horeischy tödlich. Als Vollmar sich auf seinen Professor stürzte, um ihn zu bändigen, wurde auch er getötet.
Jörn Lange wurde kurz nach der Befreiung von Beamten des sowjetischen NKWD aufgegriffen und verhört. Im September wurde er in einem Volksgerichtsprozess, in dem mehrere Angehörige des Instituts als Zeugen aussagten, des doppelten Mordes für schuldig gesprochen und zum Tod durch den Strang verurteilt. Die Vollstreckung wurde durch ein Gnadengesuch von Lange mehrmals verschoben, doch schließlich für den 22. Januar festgelegt. Am Weg zur Hinrichtung vergiftete sich Lange mit einer Blausäurekapsel.
Johannes Mario Simmel, der die Vorgänge am 5. April aus nächster Nähe miterlebte, beschreibt in seinem Roman "Wir heißen Euch hoffen" Professor Lange als fanatisch und unerbittlich, in dem was er für die richtige Politik hielt.
Am Institut für Anorganische Chemie, 9., Währinger Straße 42, wurde bereits 1947 eine Gedenktafel für Kurt Horeischy und Hans Vollmar angebracht. Die Horeischygasse in Hietzing trägt seit 1951 den Namen jenes Mannes, der das Elektronenmikroskop retten wollte.
Werk: Über die Messung von extrem niedrigen Gasdrucken, 1937.
Literatur: Gerhard Oberkofler und Fritz Feigl, Notizen und Dokumente zu einer wissenschaftlichen Biographie im Gedenken an Kurt Horeischy und Hans Vollmer, 1994; Johannes Mario Simmel, Wir heißen Euch hoffen, 1980.